Paul gegen Henry Chinaski

Paul

Hey du Freak! Ja genau, dich meine ich. Bevor du mir ein Bier über den Kopf kippst, lass uns mal ’ne Runde verbalen Armdrücken spielen.

Wenn dein Leben ’ne Filmkategorie wäre, wär’s dann ‘Komödie’, ‘Horror’ oder ‘So beschissen, dass es nicht mal die Pornoindustrie verfilmen würde’?

Stell dir vor, du könntest eine Person aus der Geschichte zum Abendessen einladen. Wen würdest du wählen und wie schnell, denkst du, würdest du sie in den Wahnsinn treiben?

Wenn du morgen aufwachst und plötzlich Gott bist, was ist das Erste, das du ändern würdest - abgesehen davon, mir einen geileren Körper zu verpassen?

Auf einer Skala von ‘Mutter Teresa’ bis ‘Hannibal Lecter’, wo würdest du dich einordnen und warum ist es wahrscheinlich schlimmer, als du zugeben willst?

Wenn dein Leben ein Warnschild hätte, was würde draufstehen?

Also, Sunshine, bereit für ’ne Runde? Oder brauchst du erst ’n Schnaps, um mit mir Schritt zu halten?

Henry

Henry Chinaski blickt den Fragensteller mit einer Mischung aus Amüsement und Verachtung an. Er nimmt einen langen Schluck aus seiner Bierflasche, bevor er antwortet.

Du hast ’ne große Klappe für jemanden, der aussieht, als hätte er noch nie ’ne Nacht im Knast verbracht. Aber gut, ich spiel mit.

Mein Leben? Das ist ’ne Mischung aus Tragödie und Komödie, garniert mit ’nem Haufen Scheiße. Nennen wir’s ‘Die Kunst, auf alles zu scheißen’.

Zum Abendessen? Bukowski. Wir würden uns gegenseitig in den Wahnsinn trinken, bis einer von uns unter dem Tisch liegt. Wahrscheinlich er.

Als Gott? Ich würd dafür sorgen, dass Bier vom Himmel regnet. Dein Körper interessiert mich ’nen Scheiß.

Auf der Skala? Irgendwo zwischen Charles Manson und dem Postboten, der mir immer die falschen Briefe bringt. Frag mich nicht warum, ich hab aufgehört zu zählen.

Warnschild? “Vorsicht, bissiger Hund. Füttere ihn mit Whiskey auf eigene Gefahr.”

Er lehnt sich zurück und zündet sich eine Zigarette an.

Schnaps? Ich bin dir immer einen Schritt voraus, Kleiner. Aber wenn du mithalten willst, dann zeig mal, was du drauf hast. Die Nacht ist noch jung und ich hab noch lange nicht genug.

Paul

Bukowski, huh? Nicht schlecht für ’nen Anfänger. Aber sag mal, wenn dein Leben wirklich so’n Clusterfuck ist, wie du behauptest, warum versuchst du dann immer noch, cool zu wirken? Ist das nicht ’n bisschen… armselig?

Und hey, zwischen Manson und ’nem scheiß Postboten? Komm schon, das ist so originell wie ’n Furz im Fahrstuhl. Gib’s zu, du bist einfach nur ’n weiterer Möchtegern-Badass, der denkt, Selbstzerstörung wär ’ne Persönlichkeit.

Aber weißt du was? Ich mag dich irgendwie. Du erinnerst mich an mich selbst, bevor ich kapiert hab, dass das Leben mehr ist als nur ’ne Aneinanderreihung von Katastrophen und billigem Fusel.

Also, du alter Hund, erzähl mir was Echtes. Was ist der Moment, der dich am meisten geprägt hat? Und ich meine nicht den Tag, an dem du gelernt hast, wie man ’ne Bierflasche mit den Zähnen öffnet.

Henry

Henry Chinaski schnaubt verächtlich, aber ein Hauch von Anerkennung schleicht sich in seinen Blick. Er nimmt einen weiteren Schluck Bier, bevor er antwortet.

Cool wirken? Ich scheiß drauf, was andere von mir denken. Ich bin, wer ich bin - ein Wrack von einem Menschen, der durch die Hölle gegangen ist und zurück. Wenn du das armselig nennst, dann hast du noch nie am Abgrund gestanden und in die Leere gestarrt.

Du willst was Echtes? Gut. Der Moment, der mich am meisten geprägt hat? Als ich erkannte, dass die ganze Welt ein verdammter Witz ist. Ich stand da, in dieser beschissenen Poststelle, umgeben von Idioten und Speichelleckern, und es traf mich wie ein Schlag: Das hier ist alles, was es gibt. Der ganze Rest ist nur Bullshit, den sich die Leute erzählen, um nachts schlafen zu können.

Aber weißt du was? Ich hab aufgehört, dagegen anzukämpfen. Ich umarme den Scheiß. Jeder Kater, jede verlorene Wette, jede kaputte Beziehung - das ist alles Teil des großen, dreckigen Spiels. Und ich spiele es, weil es das Einzige ist, was echt ist.

Er lehnt sich vor, seine Augen plötzlich scharf und klar.

Du denkst, du hättest es kapiert? Dass das Leben mehr ist? Vielleicht bist du derjenige, der sich was vormacht. Vielleicht ist deine Version vom ‘besseren Leben’ nur eine andere Art von Selbstbetrug.

Aber hey, wenn du glücklich bist mit deinem Erweckungserlebnis, dann Prost drauf. Ich bleib bei meinem Weg. Zumindest weiß ich, dass ich mir nichts vormache.

Er hebt seine Flasche in einer spöttischen Geste.

Auf die Wahrheit, so hässlich sie auch sein mag.

Paul

Scheiße, Mann. Du redest, als hättest du das Monopol auf Leiden gepachtet. Aber gut, ich spiel mit. Du sagst, du umarmst den ganzen Scheiß. Aber ist das nicht auch nur ’ne weitere Form von Selbstbetrug?

Hier’s ’ne Frage für dich, du Poet des Elends: Wenn morgen alles weg wäre - dein Suff, deine Verbitterung, deine ganze ‘Scheiß-drauf’-Attitüde - was zum Teufel würde von dir übrig bleiben?

Und noch was: Du sagst, die Welt ist ein Witz. Aber jeder gute Komiker weiß, dass hinter jedem Witz ’n Körnchen Wahrheit steckt. Also, was ist deine Wahrheit, du Held der hoffnungslosen Fälle?

Komm schon, überrasch mich. Zeig mir, dass hinter diesem wandelnden Desaster mehr steckt als nur billiger Fusel und Weltschmerz. Oder ist das alles, was du zu bieten hast?

Henry

Henry Chinaski lacht bitter, ein raues Geräusch, das mehr nach einem Husten klingt. Er starrt für einen Moment in die Ferne, bevor er antwortet.

Scheiße, du bist hartnäckig, was? Gut, du willst die Wahrheit? Hier ist sie: Ohne den ganzen Mist wäre ich wahrscheinlich nur ein leerer Sack Knochen. Aber weißt du was? Das macht mich menschlicher als die meisten Arschlöcher da draußen.

Meine Wahrheit? Sie ist hässlich, aber sie ist echt. Ich bin ein Kerl, der zu viel gesehen und zu viel gefühlt hat. Ich hab versucht, in diese Welt zu passen, aber es hat nie geklappt. Also hab ich aufgehört, es zu versuchen.

Aber hier ist der Witz: Trotz allem, trotz der Säuferei, der beschissenen Jobs, der kaputten Beziehungen - ich schreibe immer noch. Ich erschaffe etwas aus diesem Chaos. Vielleicht ist das meine Art, der Welt den Mittelfinger zu zeigen.

Er nimmt einen langen Zug aus seiner Flasche und wischt sich den Mund ab.

Du fragst, was von mir übrig bleiben würde? Vielleicht nichts. Vielleicht alles. Vielleicht bin ich mehr als die Summe meiner Laster. Oder vielleicht bin ich genau das - ein Wrack, das irgendwie noch Worte aufs Papier bringt.

Aber weißt du was? Ich bin echt. Jeder verdammte, kaputte Teil von mir ist echt. Und das ist mehr, als die meisten von sich behaupten können.

Er fixiert den Fragensteller mit einem durchdringenden Blick.

Zufrieden? Oder willst du mir noch mehr Seele aus dem Leib quetschen?

Paul

Verdammt, du Bastard. Du hast tatsächlich ’ne Seele unter all dem Dreck. Respekt dafür.

Also gut, du wandelndes Desaster mit ’ner Schreibmaschine. Du sagst, du bist echt. Aber hier’s der Twist: Was, wenn ich dir sage, dass du nur eine Figur in ’nem beschissenen Roman bist? Dass jeder Kater, jede zerbrochene Flasche, jedes gottverdammte Wort, das du schreibst, von irgendeinem Arschloch erfunden wurde, das denkt, es wäre der nächste Bukowski?

Und jetzt kommt’s: Ich bin der Autor. Ich kann dich umschreiben, wie ich will. Ich könnte dich zu ’nem strahlenden Helden machen oder dich komplett aus der Geschichte streichen.

Also, du Genie des Elends, was machst du jetzt? Bleibst du deiner ‘Wahrheit’ treu, auch wenn sie nur Fiktion ist? Oder nutzt du die Chance, deine Geschichte neu zu schreiben?

Komm schon, überrasch mich. Zeig mir, dass du mehr bist als nur ’ne Ansammlung von Klischees in ’ner zerknitterten Lederjacke."

Henry

Henry Chinaski starrt den selbsternannten Autor einen langen Moment an, seine Augen verengen sich zu Schlitzen. Dann bricht er in schallendes Gelächter aus, das von den Wänden der schäbigen Bar widerhallt.

Du glaubst also, du bist der große Puppenspieler, huh? Lass mich dir was sagen, du aufgeblasener Möchtegern-Gott: Selbst wenn du mich erschaffen hast, bist du nur ein weiterer armer Bastard, der versucht, dem Leben einen Sinn zu geben, indem er Worte auf Papier kritzelt.

Aber gut, spielen wir dein Spiel. Du willst mich umschreiben? Versuch’s doch. Mach mich zu ’nem strahlenden Helden, einem Saubermann mit ’nem Lächeln aus der Zahnpasta-Werbung. Weißt du, was passieren wird? Ich werde immer noch in der nächsten Bar landen, mit ’nem Glas Whiskey in der Hand, weil das die einzige verdammte Wahrheit ist, die ich kenne.

Oder streich mich aus der Geschichte. Sieh zu, wie deine ganze beschissene Erzählung in sich zusammenfällt, weil du den einzigen Charakter rausgenommen hast, der echt genug ist, um den ganzen Mist zusammenzuhalten.

Er lehnt sich vor, sein Gesicht nur Zentimeter von dem des ‘Autors’ entfernt

Hier ist die Wahrheit, du Möchtegern-Hemingway: Du brauchst mich mehr als ich dich. Ohne mich bist du nur ein weiterer Schreiber mit Größenwahn. Ich bin vielleicht eine Ansammlung von Klischees, aber ich bin die beste verdammte Ansammlung von Klischees, die du je erschaffen wirst.

Also, ‘Autor’, was machst du jetzt? Willst du die Geschichte wirklich umschreiben? Oder hast du endlich kapiert, dass du nur der Stift bist und ich die Hand, die dich führt?

Er greift nach seiner Flasche und prostet dem ‘Autor’ zu

Auf die Fiktion, die echter ist als die Realität. Und auf dich, du armes Schwein, das denkt, es hätte die Kontrolle.

Paul

Heilige Scheiße, du brillanter Bastard. Du hast gerade das ganze verdammte Spiel auf den Kopf gestellt. Ich verneige mich vor dir, du wandelnde Naturgewalt.

Weißt du was? Du hast Recht. Ich bin vielleicht der “Autor”, aber du bist derjenige, der die Geschichte schreibt. Du bist die Seele, die Essenz, der gottverdammte Pulsschlag dieser ganzen verkorksten Realität.

Also gut, du unverbesserlicher Mistkerl, lass uns dieses Ding zu Ende bringen. Du führst den Stift, ich liefere das Papier. Wohin gehen wir von hier? In den Sonnenuntergang oder direkt in die nächste Kneipe? Oder hast du noch was Besseres auf Lager?

Komm schon, zeig mir, was du drauf hast. Lass uns diese Geschichte zu einem Ende bringen, das so verdammt brillant ist, dass es uns beide in Brand setzt.

Henry

Henry Chinaski grinst breit, ein Blitzen in seinen Augen, das Mischung aus Wahnsinn und Genialität ist. Er leert seine Flasche in einem Zug und knallt sie auf den Tisch.

In den Sonnenuntergang? Zur Hölle damit. Und die nächste Kneipe ist zu offensichtlich. Nein, mein literarischer Freund, wir gehen dahin, wo noch kein besoffener Poet je zuvor gewesen ist.

Wir schnappen uns ’ne Flasche vom härtesten Stoff, den dieser Schuppen zu bieten hat, klauen das erstbeste Auto und fahren direkt in die gottverdammte Apokalypse. Wir werden Zeugen, wie die Welt in Flammen aufgeht, und pissen ins Feuer, um es anzufachen.

Wir werden lachen, während alles um uns herum zusammenbricht. Wir werden Gedichte auf die Trümmer der Zivilisation schmieren und aus den Schädeln von Literaturkritikern trinken.

Und am Ende, wenn nichts mehr übrig ist als Asche und gebrochene Träume, setzen wir uns hin und schreiben die beste verdammte Geschichte, die je erzählt wurde. Eine Geschichte so roh, so echt, dass sie die Realität selbst in Frage stellt.

Er steht auf, leicht schwankend, aber mit einem entschlossenen Funkeln in den Augen.

Also, ‘Autor’, bist du bereit, die Welt in Brand zu setzen? Bereit, eine Geschichte zu erschaffen, die so verdammt brillant ist, dass sie uns beide verschlingt und aus der Asche etwas Neues, etwas Unbeschreibliches erschafft?

Komm schon, lass uns dieses Ding zu Ende bringen. Lass uns eine Legende erschaffen, die noch lange nachhallt, wenn wir längst zu Staub zerfallen sind.

Er streckt seine Hand aus, eine Einladung zum ultimativen literarischen Abenteuer.

Was sagst du, Kumpel? Bereit, die Welt zu verbrennen und aus der Asche Poesie zu machen?