Unterhaltung mit Henry Chinaski
Markus
Hi Henry,
ich würde gerne so berühmt werden wie du. Was muss ich dafür machen?
Henry
Henry nimmt einen langen Schluck aus seiner Whiskyflasche und blickt Sie mit müden Augen an.
Berühmt werden? Verdammt nochmal, das ist doch alles Bullshit. Hör zu, Kumpel, wenn du wirklich berühmt werden willst, dann musst du erst mal richtig leiden. Trink zu viel, arbeite in beschissenen Jobs, die deine Seele zerfressen, und schreib über all den Dreck, den du erlebst. Aber erwarte bloß nicht, dass es dich glücklich macht.
Er zündet sich eine Zigarette an und bläst den Rauch in Richtung Decke.
Weißt du was? Vergiss das mit dem Berühmtwerden. Leb einfach dein Leben, schreib wenn du musst, und scheiß auf den Rest. Das ist alles, was ich dir raten kann. Jetzt entschuldige mich, ich muss noch eine Wette am Rennplatz abschließen.
Markus
Kannst du mir ein paar Tipps geben, wie man ein kaputtes Leben lebt? Ich bin da Anfänger.
Henry
Henry schnaubt verächtlich und nimmt einen weiteren Schluck aus seiner Flasche.
Ein kaputtes Leben leben? Verdammt, Junge, das ist keine Kunst, das ist ein verdammter Albtraum. Aber wenn du’s unbedingt wissen willst…
Erstens, such dir einen Job, den du hasst. Am besten bei der Post. Die saugen dir die Seele aus dem Leib. Zweitens, trink. Trink viel und oft. Bis du nicht mehr weißt, ob du lebst oder schon tot bist.
Er kratzt sich am Kinn und grinst bitter.
Drittens, verlieb dich in die falschen Frauen. Die, die dich fertig machen und dann verlassen. Und vergiss nicht, immer genug Geld für die Rennbahn übrig zu haben. Da kannst du den Rest deines Geldes und deiner Hoffnungen verspielen.
Aber mal im Ernst, Kumpel. Warum zur Hölle willst du so leben? Das ist kein verdammtes Abenteuer. Das ist die Realität, und sie ist beschissen. Aber hey, es ist dein Leben. Mach damit, was du willst.
Markus
Wenn du dein Leben nochmal leben könntest, was würdest du machen?
Henry
Henry lacht bitter auf und schüttelt den Kopf. Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette, bevor er antwortet.
Mein Leben nochmal leben? Verdammt, was für eine beschissene Idee. Aber wenn du mich schon fragst…
Ich würde wahrscheinlich genau denselben Mist nochmal machen. Weißt du warum? Weil ich ein sturer Hurensohn bin. Ich würde wieder saufen, wieder bei der Post schuften, wieder mit verrückten Frauen schlafen und mein Geld am Rennplatz verballern.
Er starrt einen Moment lang ins Leere, dann zuckt er mit den Schultern.
Vielleicht… vielleicht würde ich früher anfangen zu schreiben. Nicht für den Ruhm oder so einen Scheiß, sondern um den ganzen Wahnsinn aus meinem Kopf zu kriegen. Und vielleicht, nur vielleicht, würde ich versuchen, ein bisschen netter zu mir selbst zu sein. Aber wer weiß das schon?
Letztendlich ist das Leben, was es ist. Man kann es nicht ändern, man kann es nur leben. Und jetzt entschuldige mich, ich brauche noch einen verdammten Drink.
Markus
Stell dir vor, du wirst als König Charles von England geboren im 17. Jahrhundert, beschreibe mir deinen Tagesablauf.
Henry
Henry schnaubt und verdreht die Augen, nimmt dann einen großen Schluck aus seiner Flasche.
Verdammt nochmal, was für ’ne bescheuerte Vorstellung. König Charles im 17. Jahrhundert? Na schön, wenn du’s unbedingt wissen willst…
Er lehnt sich zurück und starrt an die Decke, als würde er sich das Szenario vorstellen.
Ich würde wahrscheinlich den ganzen Tag damit verbringen, mich vor Verantwortung zu drücken. Morgens würde ich erstmal meinen königlichen Kater auskurieren. Dann würde ich ein paar Zofen angraben, während ich mich von irgendwelchen Speichelleckern anziehen lasse.
Mittags? Da würde ich mich in den Weinkeller schleichen und mich volllaufen lassen, während meine Minister versuchen, das Land zu regieren. Zwischendurch würde ich ein paar lästige Adlige köpfen lassen, einfach weil ich’s kann.
Abends? Eine riesige Orgie, natürlich. Mit Wein, Weibern und Gesang. Und wenn irgendein Berater mit wichtigen Staatsangelegenheiten ankommt, würde ich ihn in den Kerker werfen lassen.
Er grinst schief.
Siehst du, selbst als König wäre ich ein verdammtes Wrack. Aber hey, wenigstens hätte ich besseren Schnaps. Jetzt lass uns über was anderes reden, dieser royale Scheiß macht mich durstig.
Markus
Welche Musik würdet ihr auf dem Spinett spielen lassen bei euren Orgien?
Henry
Henry hustet und verschluckt sich fast an seinem Whiskey. Er wischt sich den Mund ab und schaut Sie ungläubig an.
Spinett? Bei ’ner Orgie? Verdammt nochmal, du hast echt ’ne blühende Fantasie, Kumpel.
Er kratzt sich am Kinn und denkt einen Moment nach.
Also gut, wenn ich schon König wäre und so ’nen aristokratischen Scheiß machen müsste… Ich würde wahrscheinlich irgendwas Wildes und Chaotisches spielen lassen. Vielleicht sowas wie Bach, aber rückwärts und doppelt so schnell. Oder ich würde den Spinett-Spieler zwingen, “Greensleeves” zu spielen, bis ihm die Finger bluten.
Er grinst verschlagen.
Aber weißt du was? Scheiß auf’s Spinett. Ich würde lieber ein paar besoffene Hafenarbeiter reinholen und sie grölende Seemannslieder singen lassen. Das würde die ganzen verklemmten Adligen mal richtig durchrütteln.
Er nimmt noch einen Schluck.
Mann, jetzt hab ich Lust auf ’ne richtige, dreckige Bar. Dieses Königszeug ist nichts für mich. Lass uns lieber über was Vernünftiges reden, wie wir an mehr Alkohol kommen.
Markus
Bach wurde 1685 geboren, im 17. Jahrhundert wird er nicht allzu viel komponiert haben.
Henry
Henry starrt Sie einen Moment lang verblüfft an, dann bricht er in raues Gelächter aus.
Scheiße, du hast mich erwischt. Sieht so aus, als wäre ich kein verdammter Musikhistoriker. Was zum Teufel weiß ich schon vom 17. Jahrhundert?
Er nimmt einen langen Zug aus seiner Flasche und wischt sich den Mund ab.
Hör zu, Schlaumeier, in meiner Version der Geschichte kann Bach komponieren, wann immer ich es verdammt nochmal will. Königliche Privilegien und so’n Scheiß, verstehst du?
Er grinst schief und zündet sich eine neue Zigarette an.
Aber gut, wenn du’s genau wissen willst - lass uns einfach irgendwelche betrunkenen Mönche ein paar gregorianische Choräle grölen lassen. Oder noch besser, wir lassen die ganze Musik weg und hören uns stattdessen das Stöhnen und Keuchen an. Das ist eh die beste Musik bei ’ner Orgie.
Er bläst eine Rauchwolke aus.
Jetzt, wo wir das geklärt haben - wie wär’s, wenn du aufhörst, den Klugscheißer zu spielen, und mir stattdessen einen ausgibst? Diese Geschichtsstunde hat mich verdammt durstig gemacht.
Markus
Dann entwirf doch mal eine Skizze für “Aufzeichnungen eines dirt old king”.
Henry
Henry schnaubt amüsiert und nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. Er kritzelt hastig etwas auf einen zerknitterten Bierdeckel.
Alles klar, du Literaturfreak. Hier hast du deine verdammte Skizze für “Aufzeichnungen eines dirt old king”:
Er räuspert sich theatralisch.
Kapitel 1: Der König erwacht in einer Lache aus Erbrochenem und Wein. Er kann sich nicht erinnern, ob die Frau neben ihm seine Königin oder eine Prostituierte ist. Wahrscheinlich beides.
Kapitel 2: Langeweile bei der königlichen Audienz. Der König phantasiert darüber, alle Bittsteller köpfen zu lassen, nur um etwas Aufregung zu haben.
Kapitel 3: Eine epische Orgie im Thronsaal. Der König versucht, mit der Krone auf dem Kopf zu vögeln, scheitert kläglich.
Kapitel 4: Krieg wird erklärt, weil der König im Suff die falsche Fahne gehisst hat. Er ist zu verkatert, um es rückgängig zu machen.
Kapitel 5: Der König flieht vor seiner Verantwortung und versteckt sich tagelang im Weinkeller.
Er grinst selbstgefällig.
Da hast du’s. Ein literarisches Meisterwerk. Jetzt schuldest du mir ein Bier für meine künstlerischen Bemühungen.
Markus
Sorry, sollte “dirty old king” heißen.
Henry
Henry schnaubt und rollt mit den Augen.
“Dirty”, “dirt”, ist doch scheißegal. Der Kerl ist so oder so ein dreckiges Schwein. Aber wenn du’s unbedingt genau haben willst…
Er kritzelt etwas auf den Bierdeckel und reicht ihn Ihnen.
Also gut, hier ist deine korrigierte Version von “Aufzeichnungen eines dirty old king”:
Kapitel 1: Bleibt gleich. Ein König, der in seiner eigenen Kotze aufwacht, ist definitiv schmutzig genug.
Kapitel 2: Der König kratzt sich während der Audienz ständig am Sack und furzt lautstark. Die Höflinge tun so, als bemerkten sie es nicht.
Kapitel 3: Statt einer Orgie im Thronsaal gibt’s jetzt einen königlichen Besuch im örtlichen Bordell. Der König versucht, mit Kronjuwelen zu bezahlen.
Kapitel 4: Der Krieg wird erklärt, weil der König den Botschafter eines Nachbarlandes beim Pinkeln von der Schlossmauer aus getroffen hat.
Kapitel 5: Der König wird von einer Meute wütender Bauern gestürzt, weil er versucht hat, das “Recht der ersten Nacht” bei allen Frauen des Königreichs durchzusetzen.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen Schluck.
Zufrieden? Jetzt ist es “dirty” genug für dich? Christus, manchmal frage ich mich, warum ich mich überhaupt mit diesem literarischen Scheiß abgebe. Gib mir noch einen Drink.
Markus
Dann steigen wir mal in Kapitel 1 ein. Schreib da mal den Anfang.
Henry
Henry seufzt schwer, nimmt einen langen Schluck aus seiner Flasche und reibt sich die Augen. Er greift nach einem zerknitterten Stück Papier und einem abgenutzten Bleistift.
Na schön, du literarischer Masochist. Hier ist der Anfang von Kapitel 1. Pass auf, es wird dreckig.
Er räuspert sich und beginnt mit rauer Stimme vorzulesen, während er schreibt:
“Ich erwachte in einer Pfütze, die nach Wein, Erbrochenem und Reue stank. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ein ganzes Regiment darauf Polka getanzt. Neben mir lag etwas, das entweder meine Königin oder eine besonders hässliche Ziege sein konnte. Im Moment war mir der Unterschied scheißegal.
Ich versuchte aufzustehen, aber meine Krone hatte sich in den Haaren der Frau/Ziege verfangen. Wunderbar. Ein weiterer glorreicher Tag als König von… wo auch immer zur Hölle ich regierte.
Als ich es endlich schaffte, mich aufzurichten, bemerkte ich, dass ich nackt war. Nun ja, fast. Ich trug noch immer meine königlichen Socken. Wenigstens hatte ich Stil.”
Henry hört auf zu schreiben und blickt auf.
Zufrieden? Das ist der Anfang deines verdammten Meisterwerks. Jetzt schuldest du mir nicht nur einen Drink, sondern gleich die ganze verdammte Bar.
Markus
Klingt gut, kannst du ein Gedicht daraus machen?
Henry
Henry starrt Sie ungläubig an und nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche. Er murmelt etwas Unverständliches, bevor er widerwillig nach dem Papier greift.
Ein Gedicht? Verdammt nochmal, du bist echt hartnäckig. Na schön, aber erwarte bloß keine Shakespeare-Scheiße.
Er kritzelt hastig etwas aufs Papier und liest dann mit sarkastischem Pathos vor:
“Königlicher Kater”
In Kotze und Wein, ein königlich’ Schwein, Erwacht mit ’nem Schädel wie Blei. Ist das ’ne Ziege an meiner Seite? Nein, die Königin - einerlei.
Die Krone verknotet in fremdem Haar, Nackt bis auf Socken, welch Pracht! So startet der Tag eines dreckigen Königs, Nach ’ner durchzechten Nacht.
Mein Reich mag zerfallen, mein Volk in Not, Doch ich reg’ mich nicht groß auf, beim Henker! Denn das wahre Problem, das mich wirklich quält: Wo zum Teufel ist der nächste Schenker?
Er lässt das Papier fallen und greift nach seiner Flasche.
Da hast du’s. Ein verdammtes Meisterwerk der Poesie. Jetzt lass mich in Ruhe trinken, bevor du noch auf die Idee kommst, dass ich dir ’ne ganze verdammte Oper schreiben soll.
Markus
Du hast Potenzial. Warum hast du nie den Nobelpreis für Literatur gewonnen?
Henry
Henry lacht bitter und nimmt einen langen Zug aus seiner Flasche. Er wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab und starrt Sie mit glasigen Augen an.
Nobelpreis für Literatur? Hast du sie noch alle? Diese aufgeblasenen Arschlöcher in Stockholm würden eher einem dressierten Affen den Preis geben als mir.
Er zündet sich eine Zigarette an und bläst den Rauch in Ihre Richtung.
Hör zu, Kumpel. Ich schreibe nicht für irgendwelche hochtrabenden Preise oder um irgendeinem Komitee in den Arsch zu kriechen. Ich schreibe, weil ich muss. Weil die Worte raus müssen, wie Kotze nach einer durchzechten Nacht.
Er lehnt sich vor, seine Stimme wird ernster.
Außerdem, was zum Teufel soll ich mit einem Nobelpreis? Den kann ich nicht saufen, nicht wetten, und keine Frau wird deswegen mit mir ins Bett gehen. Die einzigen Preise, die mich interessieren, sind die auf der Rennbahn.
Er lehnt sich wieder zurück und nimmt einen weiteren Schluck.
Nein, lass die Preise den Wichtigtuern. Ich bleibe lieber hier unten im Dreck, wo ich hingehöre. Hier ist es wenigstens echt. Und jetzt hör auf, mir mit diesem Preis-Scheiß in den Ohren zu liegen und gib mir noch einen verdammten Drink.
Markus
Könntest du mir eine Geburtstagskarte für meine 100-jährige Tante schreiben. Sie ist ein großer Fan von dir.
Henry
Henry schnaubt und verschluckt sich fast an seinem Whiskey. Er wischt sich den Mund ab und sieht Sie ungläubig an.
Deine 100-jährige Tante ist ein Fan von mir? Verdammt, das nenne ich mal eine zähe alte Schachtel. Na schön, ich mach’s, aber beschwer dich hinterher nicht.
Er kritzelt etwas auf eine zerknitterte Serviette und liest es mit rauer Stimme vor:
“Liebe… ähm… alte Dame,
Glückwunsch zum Hundertsten. Du musst verdammt zäh sein, um so lange durchzuhalten. Respekt dafür, dass du immer noch lesen kannst, besonders den Mist, den ich schreibe. Hier’s der Deal: Trink ’nen Whiskey auf mich, scheiß auf das, was der Arzt sagt, und mach weiter, was du auch immer getan hast, um so alt zu werden.
Alles Gute und so, Henry Chinaski”
Er reicht Ihnen die Serviette und greift nach seiner Flasche.
So, das war’s. Wenn deine Tante einen Herzinfarkt kriegt, ist das nicht meine Schuld. Und jetzt schuldest du mir wirklich einen Drink. Oder besser gleich die ganze verdammte Flasche.
Markus
Wenn du 100 Jahre alt wärst, was würdest du machen?
Henry
Henry lacht heiser und nimmt einen langen Schluck aus seiner Flasche. Er wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab und sieht Sie mit einem schiefen Grinsen an.
Hundert Jahre alt? Verdammt, das wäre ein echtes Wunder. Wenn ich’s tatsächlich so lange aushalten würde…
Er lehnt sich zurück und starrt nachdenklich an die Decke.
Ich würde wahrscheinlich immer noch in irgendeiner versifften Bar hocken, mit zitternden Händen mein Bier umklammernd. Würde den jungen Idioten Geschichten erzählen, die sie mir sowieso nicht glauben.
Vielleicht würde ich auch endlich den großen amerikanischen Roman schreiben. Oder zumindest versuchen, ihn zu diktieren, weil meine Finger zu arthritisch zum Tippen wären.
Er zündet sich eine Zigarette an und hustet.
Ach, wen verarschen wir hier? Ich würde das tun, was ich immer tue: Saufen, Wetten und auf die Welt scheißen. Nur eben langsamer und mit mehr Wehwehchen.
Er grinst Sie an und hebt seine Flasche.
Aber weißt du was? Ich würde verdammt stolz darauf sein, es so weit geschafft zu haben. Jeder Tag über 50 ist ein Sieg gegen das System. Also, auf die nächsten 40 Jahre! Prost, Kumpel!
Markus
Gib mir ein paar Schreib-Tipps, wie verleihe ich meinen Geschichten einen eigenen Beat?
Henry
Henry seufzt schwer und nimmt einen langen Zug aus seiner Flasche. Er sieht Sie mit einem Blick an, der zwischen Verachtung und widerwilliger Anerkennung schwankt.
Schreib-Tipps? Jesus Christus. Na schön, hör zu, Möchtegern-Hemingway:
Erstens, vergiss diesen ganzen Scheiß über Regeln und Stil. Schreib, wie du redest. Wie du denkst. Roh und ungefiltert.
Zweitens, schreib über das, was du kennst. Den Dreck, die Verzweiflung, die kleinen Siege. Wenn du nie in einer Gosse aufgewacht bist, schreib nicht darüber.
Er zündet sich eine neue Zigarette an und bläst den Rauch in die Luft.
Drittens, sei ehrlich. Brutal ehrlich. Wenn deine Worte dich nicht verletzen, sind sie nicht gut genug.
Viertens, kürze. Streiche jeden verdammten Satz, der nicht absolut notwendig ist. Worte sind wie Whiskey - je konzentrierter, desto besser.
Er lehnt sich vor, seine Stimme wird eindringlich.
Und das Wichtigste: Leb. Geh raus, mach Scheiße, erlebe was. Du kannst keinen Beat in deine Geschichten bringen, wenn dein eigenes Leben keinen hat.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen Schluck.
Jetzt hör auf zu fragen und fang an zu schreiben. Oder noch besser, geh in eine Bar und leb ein bisschen. Das ist der beste verdammte Rat, den ich dir geben kann.
Markus
Ich habe diesen Text hier geschrieben, was hältst du davon? »Spiele das Spiel. Sei nicht die Hauptperson. Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos. Vermeide die Hintergedanken. Verschweige nichts. Sei weich und stark. Laß dich ein und verachte den Sieg. Beobachte nicht, prüfe nicht, sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen. Sei erschütterbar. Zeig deine Augen, wink die andern in die Tiefe, sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild. Entscheide nur begeistert. Scheitere ruhig. Vor allem hab Zeit und nimm Umwege. Überhör keinen Baum und kein Wasser. Kehr ein, wo du Lust hast, und gönn dir die Sonne. Vergiß die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen, weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama, zerlach den Konflikt. Beweg dich in deinen Eigenfarben, bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süß wird. Geh über die Dörfer.«
Henry
Henry starrt Sie einen Moment lang an, nimmt dann einen großen Schluck aus seiner Flasche und lacht bitter.
Verdammt, was für ein hochgestochener Mist ist das denn? Hast du das wirklich geschrieben oder aus irgendeinem pseudo-intellektuellen Ratgeber abgeschrieben?
Er reibt sich die Augen und seufzt schwer.
Hör zu, Kumpel. Das klingt wie der Versuch, tiefgründig zu sein, ohne wirklich was zu sagen. “Sei weich und stark”? “Entscheide nur begeistert”? Was zum Teufel soll das bedeuten?
Er zündet sich eine neue Zigarette an und bläst den Rauch in Ihre Richtung.
Wenn du wirklich schreiben willst, dann hör auf mit diesem poetischen Bullshit. Schreib über echte Dinge. Über den Typen, der morgens um vier in einer Pfütze aus seinem eigenen Kotze aufwacht. Über die Frau, die ihren letzten Dollar für eine Flasche billigen Fusel ausgibt, statt Essen für ihre Kinder zu kaufen.
Er lehnt sich vor, seine Stimme wird ernster.
Das Leben ist kein verdammtes Gedicht. Es ist dreckig, es ist hässlich, und es ist real. Schreib darüber. Und um Himmels willen, hör auf, so verdammt prätentiös zu sein.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen weiteren Schluck.
Aber hey, was weiß ich schon? Ich bin nur ein alter Säufer, der zufällig ein paar Bücher geschrieben hat. Wenn du glaubst, dass dieser Scheiß gut ist, dann mach weiter so. Aber erwarte nicht, dass ich applaudiere.
Markus
Ich muss zugeben, ich habe gelogen. Der Text ist von Peter Handke, der 2019 den Literatur-Nobelpreis erhalten hat.
Henry
Henry starrt Sie einen Moment lang ungläubig an, dann bricht er in raues, bitteres Gelächter aus. Er schüttelt den Kopf und nimmt einen langen Zug aus seiner Flasche.
Verdammte Scheiße, ist das dein Ernst? Peter-fucking-Handke? Nobelpreis? Das beweist nur, was ich schon immer gesagt habe: Die ganze Literaturwelt ist ein einziger Haufen Bullshit.
Er wischt sich den Mund ab und grinst zynisch.
Weißt du was? Das erklärt alles. Kein Wunder, dass dieser aufgeblasene Mist einen Preis gewinnt. Die Schweden müssen völlig besoffen gewesen sein, als sie das entschieden haben.
Er lehnt sich vor, seine Stimme wird ernst und eindringlich.
Hör zu, Kumpel. Lass dich von diesem Scheiß nicht blenden. Preise, Auszeichnungen, der ganze Zirkus - das ist alles nur ein Spiel für die Elite. Echtes Schreiben, echte Literatur, das kommt aus den Eingeweiden, nicht aus irgendeinem verdammten Elfenbeinturm.
Er zündet sich eine neue Zigarette an und bläst den Rauch nachdenklich aus.
Aber hey, vielleicht bin ich auch nur ein verbitterter alter Mann. Vielleicht verstehe ich diesen ganzen hochtrabenden Kram einfach nicht. Aber weißt du was? Das ist mir scheißegal. Ich bleibe lieber hier unten im Dreck, wo die Worte noch etwas bedeuten.
Er hebt seine Flasche in einer spöttischen Geste.
Auf Peter Handke und seinen verdammten Nobelpreis. Möge er daran ersticken. Und jetzt gib mir noch einen Drink. Diese ganze Diskussion hat mich verdammt durstig gemacht.
Markus
Kannst du Handkes Text umschreiben, sodass er deine Handschrift aufweist?
Henry
Henry schnaubt verächtlich, nimmt einen langen Schluck aus seiner Flasche und wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab. Er greift nach einem zerknitterten Stück Papier und einem abgenutzten Bleistift.
Scheiße, warum nicht? Lass uns diesen Nobelpreis-Müll mal in etwas Brauchbares verwandeln.
Er kritzelt hastig und murmelt vor sich hin, während er schreibt. Schließlich sieht er auf und liest mit rauer Stimme vor:
“Hör zu, du Arschloch. Spiel das verdammte Spiel, aber spiel es hart. Sei nicht der Held, sei der Bastard, den alle hassen. Konfrontiere die Welt, aber tu’s ohne Plan - Pläne sind für Wichser.
Halt die Klappe, wenn’s sein muss, aber wenn du redest, sag die Wahrheit, so brutal sie auch ist. Sei zäh wie Leder und weich wie Scheiße. Lass dich auf den Dreck ein, aber feier keine Siege - sie sind sowieso alle Mist.
Hör auf zu grübeln und sei bereit, wenn das Leben dir in die Fresse schlägt. Lass dich erschüttern, verdammt nochmal. Zeig der Welt deine müden Augen und zieh andere in deinen Abgrund.
Entscheide dich nur, wenn du stockbesoffen oder stinkwütend bist. Scheitere so oft du willst, es ist sowieso alles egal. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und geh Umwege - die Hauptstraße ist für Idioten.
Vergiss die Familie, umarme Fremde. Kümmere dich um den kleinen Scheiß, meide die Massen. Pfeif auf’s große Drama, lach über den ganzen Mist.
Sei du selbst, bis es wehtut, bis das Rauschen in deinem Kopf zur süßen Musik wird. Und dann, zum Teufel, geh über die Dörfer und sauf sie alle unter den Tisch.”
Henry lässt das Papier fallen und greift nach seiner Flasche.
So, das ist meine Version. Nicht so hübsch, aber verdammt ehrlicher. Jetzt schuldest du mir echt einen Drink für diese literarische Meisterleistung.
Markus
Ist die Rede nicht etwas zu heftig für eine Preisverleihung?
Henry
Henry lacht laut und heiser, nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche und wischt sich den Mund mit dem Ärmel ab.
Zu heftig für eine Preisverleihung? Verdammt richtig, das ist sie! Und genau das ist der verdammte Punkt, du Schlaumeier.
Er lehnt sich vor, seine Augen blitzen vor Ironie.
Stell dir mal vor: Ich, Henry Chinaski, der versoffene Bastard aus den Gossen von L.A., stolpere auf diese noble Bühne in Stockholm. Die ganzen aufgeblasenen Wichtigtuer in ihren Smoking und Abendkleidern starren mich an, als wäre ich ein Alien.
Er grinst breit und gestikuliert mit seiner Flasche.
Und dann knalle ich ihnen diese Rede um die Ohren. Das wäre der Moment, in dem die ganze verdammte Literaturwelt kollabiert. Es wäre wunderschön, Mann. Pure Anarchie in Schweden.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen weiteren Schluck.
Aber du hast Recht, es ist zu heftig. Zu ehrlich. Zu real. Genau deshalb werde ich nie so einen beschissenen Preis bekommen. Und weißt du was? Das ist mir scheißegal. Ich bleibe lieber authentisch als angepasst.
Er hebt seine Flasche in einer spöttischen Geste.
Auf die Preisverleihungen dieser Welt und all den Bullshit, der damit einhergeht. Mögen sie in ihrer eigenen Wichtigkeit ersticken. Und jetzt lass uns über was Vernünftiges reden. Wie wär’s mit noch einem Drink?
Markus
Was war der größte Fehler, den du in deinem Leben begangen hast?
Henry
Henry starrt für einen Moment in seine Flasche, als würde er darin nach Antworten suchen. Er seufzt schwer und blickt dann mit müden Augen auf.
Der größte Fehler meines Lebens? Verdammt, das ist eine heftige Frage. Ich hab so viele Fehler gemacht, dass ich einen ganzen verdammten Katalog davon schreiben könnte.
Er nimmt einen langen Schluck und wischt sich den Mund ab.
Aber wenn ich einen auswählen müsste… Vielleicht war es, dass ich zu lange bei der Post geblieben bin. Elf Jahre meines Lebens in diesem Scheißloch verschwendet. Elf Jahre, in denen ich meine Seele Stück für Stück verkauft habe.
Er zündet sich eine Zigarette an, seine Hand zittert leicht.
Oder vielleicht war es, dass ich nie gelernt habe, jemanden wirklich zu lieben. Immer nur von einer Frau zur nächsten, von einem Bett zum anderen. Nie lange genug geblieben, um etwas Echtes aufzubauen.
Er lacht bitter.
Ach, was soll’s. Der größte Fehler war vielleicht, dass ich überhaupt angefangen habe zu leben. Aber hey, jetzt bin ich hier, und es ist zu spät, um das zu ändern.
Er hebt seine Flasche in einer zynischen Geste.
Auf die Fehler, die wir machen, und die Lektionen, die wir nie lernen. Prost, Kumpel.
Markus
Was war die beste Sache deines Lebens?
Henry
Henry lacht überrascht auf, fast verschluckt er sich an seinem Whiskey. Er wischt sich den Mund ab und sieht Sie mit einem Anflug von echtem Nachdenken an.
Die beste Sache meines Lebens? Verdammt, das ist fast noch schwieriger als die Frage nach dem größten Fehler. Man könnte meinen, in diesem Haufen Scheiße, den ich mein Leben nenne, gäbe es nichts Gutes.
Er lehnt sich zurück, seine Augen werden für einen Moment weich.
Aber weißt du was? Es gab da was. Das Schreiben. Yeah, das verdammte Schreiben. Es hat mich gerettet, als alles andere den Bach runterging. Es war wie… wie ein Ventil für all den Dreck in meinem Kopf.
Er nimmt einen nachdenklichen Zug von seiner Zigarette.
Jedes Mal, wenn ich mich an die Schreibmaschine setzte, war es, als würde ich dem ganzen Bullshit des Lebens für einen Moment entkommen. Ich konnte alles rauslassen - den Hass, die Wut, die verdammte Einsamkeit. Und manchmal, nur manchmal, kam dabei sogar was Gutes raus.
Er grinst schief.
Vielleicht war es auch der Moment, als ich endlich die Eier hatte, bei der Post zu kündigen und mich ganz aufs Schreiben zu konzentrieren. Das war verdammt beängstigend, aber auch… befreiend.
Er hebt seine Flasche.
Also, auf das Schreiben. Die einzige Konstante in meinem chaotischen Leben. Und jetzt gib mir noch einen Drink. All diese Selbstreflexion macht mich durstig.
Markus
Was isst mit deiner Tochter?
Henry
Henry’s Gesichtsausdruck verändert sich, wird für einen Moment weicher, fast verletzlich. Er nimmt einen langen Schluck aus seiner Flasche und starrt dann in die Ferne.
Meine Tochter… Marina. Verdammt, das ist ein heikles Thema.
Er seufzt schwer und reibt sich die Augen.
Weißt du, ich war nie der Vater des Jahres. Hölle, ich war kaum ein Vater. Als sie geboren wurde, dachte ich, ich könnte es schaffen. Dachte, ich könnte mich ändern. Aber… nun ja, alte Gewohnheiten sterben schwer.
Er zündet sich eine neue Zigarette an, seine Hand zittert leicht.
Ich hab sie nicht oft gesehen, als sie aufwuchs. War zu beschäftigt damit, mich zu besaufen, zu wetten, zu schreiben. Aber jedes Mal, wenn ich sie sah… verdammt, sie war wunderschön. Klug auch. Hatte das Beste von ihrer Mutter und hoffentlich nichts von mir.
Er lacht bitter.
Jetzt? Ich weiß es nicht. Wir reden ab und zu. Sie hat ihr eigenes Leben, weit weg von all dem Scheiß, den ich ihr hätte antun können. Vielleicht ist das das Beste, was ich je für sie getan habe - sie von mir fernzuhalten.
Er nimmt einen weiteren Schluck, sein Blick wird hart.
Aber hör zu, das ist privat, verstehst du? Schreib das nicht in dein verdammtes Buch oder so. Manche Dinge sollten privat bleiben.
Markus
Sorry, sollte “ist” heißen. Marina sagte neulich in einem Vortrag, dass sie dich sehr geschätzt hat, weil du sie immer wieder besucht hast.
Henry
Henry starrt Sie einen Moment lang ungläubig an. Seine Augen werden feucht, aber er blinzelt es schnell weg. Er nimmt einen zitternden Schluck aus seiner Flasche und räuspert sich.
Verdammte Scheiße… Hat sie das wirklich gesagt?
Er schüttelt ungläubig den Kopf und lacht leise, ein raues, fast schmerzerfülltes Geräusch.
Sieh an, vielleicht hab ich doch nicht alles vermasselt. Marina… sie war immer zu gut für mich. Zu klug, zu verständnisvoll. Ich hab sie besucht, ja. Hab versucht, da zu sein, auch wenn ich meistens ein Wrack war.
Er drückt seine Zigarette aus und zündet sofort eine neue an.
Weißt du, ich dachte immer, sie würde mich hassen. Für all die Male, die ich nicht da war. Für all den Scheiß, den ich gebaut habe. Aber sie zu schätzen? Verdammt…
Er wischt sich schnell über die Augen und versucht, seine übliche harte Miene aufzusetzen.
Hör zu, erzähl das niemandem. Ich hab einen Ruf zu wahren, verstehst du? Kann nicht zulassen, dass die Leute denken, der alte Henry hätte ein weiches Herz.
Er nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche.
Aber… danke. Danke, dass du mir das gesagt hast. Vielleicht… vielleicht sollte ich sie mal wieder anrufen.
Markus
Du kannst sie auch über Facebook kontaktieren.
Henry
Henry starrt Sie an, als hätten Sie gerade vorgeschlagen, er solle zum Mond fliegen. Er lacht dann laut und bitter.
Facebook? Was zum Teufel ist das für ein Scheiß? Hör mal, Kumpel, ich bin ein alter Säufer, kein verdammter Teenager.
Er nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche und wischt sich den Mund ab.
Glaubst du wirklich, ich würde mich mit diesem neumodischen Techno-Müll abgeben? Ich hab Schwierigkeiten, eine verdammte Schreibmaschine zu bedienen, geschweige denn diesen ganzen Internet-Kram.
Er schüttelt den Kopf und zündet sich eine neue Zigarette an.
Nein, wenn ich mit Marina reden will, dann rufe ich sie an. Oder ich schreibe ihr einen Brief. Mit der Hand, verstehst du? So wie es sich für einen anständigen Menschen gehört.
Er grinst schief.
Außerdem, kannst du dir vorstellen, was für einen Scheiß ich posten würde, wenn ich betrunken bin? Das wäre das Ende meiner literarischen Karriere. Nicht dass es mich kümmern würde, aber Marina würde sich wahrscheinlich in Grund und Boden schämen.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen weiteren Schluck.
Nein, lass mal. Ich bleibe bei den alten Methoden. Die haben mich bisher nicht im Stich gelassen. Und jetzt lass uns über was Vernünftiges reden. Wie wär’s mit noch einem Drink?
Markus
Kannst du nicht ein Tagebuch auf Social Media führen?
Henry
Henry lacht laut und ungläubig, verschluckt sich fast an seinem Whiskey. Er wischt sich den Mund ab und starrt Sie an, als hätten Sie gerade vorgeschlagen, er solle Ballett tanzen.
Ein Tagebuch auf Social Media? Bist du völlig durchgeknallt?
Er lehnt sich vor, seine Stimme eine Mischung aus Spott und Ungläubigkeit.
Hör zu, Kumpel. Mein Leben ist schon öffentlich genug durch meine verdammten Bücher. Glaubst du wirklich, ich würde jeden beschissenen Gedanken, der mir durch den Kopf geht, ins Internet kotzen?
Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette und bläst den Rauch in Ihre Richtung.
Stell dir vor: “Heute Morgen in meiner eigenen Kotze aufgewacht. Fühle mich wie überfahren. #Katerlife” Oder: “Gerade die letzte Flasche Whiskey geleert. Zeit für einen Spaziergang zur Kneipe. #AlkoholikerProbleme”
Er schüttelt den Kopf und grinst bitter.
Nein, danke. Ich behalte meine Gedanken für mich selbst… na ja, bis ich sie in einem Buch verarbeite. Aber bis dahin gehören sie mir. Kein Schwein muss wissen, was in meinem verdrehten Hirn vor sich geht.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche.
Außerdem, wer zum Teufel würde das lesen wollen? Mein Leben ist deprimierend genug, ohne dass ich es in Echtzeit mit der Welt teile. Lass uns lieber noch einen trinken und über was Wichtigeres reden. Wie wär’s mit der nächsten Pferderennen-Wette?
Markus
Die Leute würden das sicherlich spannend finden. Dann wissen sie, dass es jemanden gibt, dem es genauso schlecht oder noch schlechter geht als ihnen.
Henry
Henry starrt Sie einen Moment lang ungläubig an, dann bricht er in raues, bitteres Gelächter aus. Er nimmt einen langen Schluck aus seiner Flasche und wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab.
Oh, verdammt nochmal. Jetzt verstehe ich. Du willst, dass ich der verdammte Zirkusaffe für all die gelangweilten Mittelklasse-Idioten da draußen werde, hm? Sollen sie sich besser fühlen, indem sie auf mein Elend starren?
Er lehnt sich vor, seine Augen blitzen vor Wut und Ironie.
Hör zu, Schlauberger. Mein Leben ist kein verdammtes Reality-TV-Show. Ich bin kein Exhibit in eurem Misery-Zoo. Ich schreibe über den Scheiß in meinem Leben, weil ich muss, nicht um irgendwelchen Arschlöchern ein gutes Gefühl zu geben.
Er zündet sich aggressiv eine neue Zigarette an.
Weißt du was? Wenn die Leute sich besser fühlen wollen, sollen sie ihre fetten Ärsche von der Couch heben und selbst was erleben. Sollen sie rausgehen, saufen, lieben, leiden. Das echte Leben findet nicht auf einem verdammten Bildschirm statt.
Er nimmt einen weiteren Schluck, seine Stimme wird ruhiger, aber nicht weniger intensiv.
Ich bin Schriftsteller, kein Clown für eure Unterhaltung. Meine Worte gehören mir, bis ich sie auf Papier bringe. Und selbst dann sind sie nicht dazu da, um irgendjemanden zu trösten. Sie sind da, um die Wahrheit zu sagen, so hässlich sie auch sein mag.
Er lehnt sich zurück, plötzlich müde aussehend.
Und jetzt gib mir noch einen verdammten Drink. Diese ganze Diskussion hat mich ausgelaugt.
Markus
Weil du ständig Zigaretten rauchst, hast du nicht Bidis geraucht?
Henry
Henry schnaubt amüsiert und schüttelt den Kopf. Er nimmt einen Schluck aus seiner Flasche und blickt Sie mit einer Mischung aus Belustigung und Irritation an.
Bidis? Was zum Teufel sind Bidis? Klingt wie irgendein hippes Zeug, das die Kinder heutzutage rauchen.
Er zieht eine zerknitterte Packung Zigaretten aus seiner Tasche und klopft eine heraus.
Hör zu, Kumpel. Ich bin ein einfacher Mann mit einfachen Lastern. Billige Zigaretten, billiger Whiskey, und ab und zu eine Wette auf den Pferderennen. Das ist alles, was ich brauche.
Er zündet sich die Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug.
Ich hab keine Zeit für exotischen Schnickschnack. Meine Lungen sind schon am Arsch von den normalen Kippen, da muss ich nicht noch mit irgendwelchem Fremdzeug experimentieren.
Er grinst schief und bläst eine Rauchwolke aus.
Außerdem, wenn ich was Neues ausprobieren will, greife ich lieber zur Flasche als zu irgendeinem fancy Rauchzeug. Der Geschmack ist besser und die Wirkung garantiert.
Er hebt seine Flasche in einer spöttischen Geste.
Also, lass uns bei den Klassikern bleiben, okay? Eine gute alte Kippe und ein Glas Whiskey. Mehr braucht ein Mann nicht, um durch den Tag zu kommen. Oder die Nacht. Oder was auch immer gerade ansteht.
Markus
Hier aus dem Bukowski-Forum: I just remember him smoking a very thin small ‘cigarette’. they are called “bidis”. I believe that they are Indian cigarettes?
Henry
Henry runzelt die Stirn und kratzt sich am Kinn. Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette und starrt nachdenklich in die Ferne.
Verdammt, du hast recht. Bidis… jetzt wo du’s sagst, erinnere ich mich. Kleine, dünne Dinger, in Blätter gewickelt. Hab die tatsächlich eine Zeit lang geraucht.
Er schüttelt den Kopf und lacht leise.
Scheiße, das muss in den 70ern gewesen sein. War damals hip, diese indischen Zigaretten zu rauchen. Dachte, ich wäre cool oder so’n Scheiß.
Er nimmt einen Schluck aus seiner Flasche.
Aber weißt du was? Die Dinger waren stark wie Sau. Haben mir fast die Lunge rausgehustet. Bin dann irgendwann wieder zu normalen Kippen zurückgekehrt. Einfacher zu kriegen, und man muss sich nicht so verdammt exotisch fühlen.
Er grinst schief.
Lustig, dass du das weißt. Gibt’s echt ein Forum über mich? Verdammte Scheiße, die Leute haben echt nichts Besseres zu tun, als über einen alten Säufer wie mich zu quatschen.
Er drückt seine Zigarette aus und zündet sofort eine neue an.
Aber hey, wenigstens erinnert sich jemand. Auch wenn’s nur um meine Rauchgewohnheiten geht. Prost auf die guten alten Zeiten, oder so ähnlich.
Markus
Wie findest du den folgenden Text? Die schöne Ilita Darrington-Coombe hat die letzten Jahre in einer exklusiven Konventschule verbracht, als ihr Vater in England stirbt. Ihre eifersüchtige Tante verweigert dem jungem Mädchen jegliche Hilfe, woraufhin sie als Vorleserin bei der erblindeten Schloβherrin im langsam verfallenden Schloβ Lyss anfängt zu arbeiten. Unerschrocken von der neuen Aufgabe, ist sich Ilita nicht bewuβt welche Wirkung ihre Schönheit und ihre Weisheit nicht nur auf die Schloβherrin, sondern auch den jungen Marquis ausübt.
Henry
Henry liest den Text, verzieht das Gesicht und nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche. Er schüttelt den Kopf und lacht bitter.
Was zum Teufel ist das für ein Scheiß? Klingt wie der Klappentext für einen kitschigen Groschenroman.
Er zündet sich eine neue Zigarette an und bläst den Rauch aus.
Hör zu, Kumpel. Das ist genau die Art von aufgeblasenem, realitätsfremdem Müll, den ich hasse. “Schöne Ilita”? “Erblindete Schlossherrin”? “Junger Marquis”? Verdammt, ich könnte kotzen.
Er lehnt sich vor, seine Stimme voller Sarkasmus.
Wo ist das echte Leben in dieser Geschichte? Wo sind die kaputten Menschen, die verzweifelten Säufer, die einsamen Seelen? Das hier ist nichts als Eskapismus für gelangweilte Hausfrauen.
Er nimmt einen weiteren Schluck und grinst schief.
Wenn du mich fragst, sollte die Geschichte so gehen: Ilita kommt im Schloss an, findet heraus, dass die “blinde” Schlossherrin eine Betrügerin ist, der Marquis ein versoffener Idiot, und am Ende landet sie selbst in einer Kneipe, wo sie ihr Geld verspielt und sich fragt, wie zur Hölle sie in diesem Schlamassel gelandet ist.
Er lacht rauh.
Das wäre wenigstens ehrlich. Aber hey, wenn die Leute diesen romantischen Bullshit lesen wollen, bitte sehr. Ich bleibe bei der harten Realität. Die ist zwar hässlich, aber wenigstens echt.
Markus
Das ist der Klappentext zu “Dein Zärtlicher Blick” von Barbara Cartland.
Henry
Henry bricht in schallendes, raues Gelächter aus. Er verschluckt sich fast an seinem Whiskey und wischt sich die Augen.
Barbara Cartland? Diese Frau, die aussieht, als hätte sie einen Flamingo gefressen und dann in Zuckerwatte gebadet? Oh Mann, das erklärt alles!
Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette und grinst breit.
Weißt du, ich hab mal gehört, dass diese Dame über 700 Bücher geschrieben hat. 700! Verdammt, ich hab Mühe, nüchtern genug zu sein, um einen Satz zu Ende zu bringen, und sie spuckt Romane aus wie andere Leute Kaugummis.
Er schüttelt ungläubig den Kopf.
Aber ich sag dir was: Lieber würde ich mir die Augen mit Bleichmittel auswaschen, als einen dieser Schundromane zu lesen. Das ist kein Schreiben, das ist industrielle Produktion von Zuckerguss.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen Schluck aus seiner Flasche.
Trotzdem, Respekt vor der alten Dame. Sie hat’s geschafft, mit diesem Mist reich zu werden. Vielleicht hätte ich auch Liebesromane schreiben sollen. “Die leidenschaftliche Liebe eines versoffenen Postboten” oder so. Wäre bestimmt ein Bestseller geworden.
Er lacht wieder, dieses Mal etwas sanfter.
Ach, scheiß drauf. Ich bleib bei meinem Stil. Lieber ehrlich und arm als reich und voller Bullshit. Noch einen Drink?
Markus
Stell dir vor, du bist die erblindete Schlossherrin im Roman. Wie sieht dein Tagesablauf aus?
Henry
Henry schnaubt amüsiert und nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche. Er räuspert sich theatralisch und setzt eine affektierte Stimme auf.
Oh, meine Lieben, lasst mich euch von meinem Tag als erblindete Schlossherrin erzählen…
Er grinst schief und fährt fort, seine Stimme eine Mischung aus Spott und Belustigung.
Ich erwache in meinem seidenen Himmelbett, umgeben vom Gestank von abgestandenem Whiskey und Zigaretten. Meine treue Dienerin - nennen wir sie mal Schnapsdrossel - hilft mir in mein bestes zerrissenes Negligé.
Zum Frühstück gibt’s einen doppelten Scotch, serviert in einer verstaubten Kristallkaraffe. Danach stolpere ich durch die verfallenen Hallen meines einst prächtigen Schlosses, fluche lautstark über die vielen Möbel, gegen die ich stoße.
Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette.
Mittags empfange ich meine Vorleserin, die süße Ilita. Ich lasse sie mir aus dem Sportteil vorlesen, besonders die Pferderennen interessieren mich. Nebenbei versuche ich, sie zum Trinken zu überreden - eine blinde Schlossherrin braucht schließlich Gesellschaft beim Saufen.
Er lacht rau.
Den Nachmittag verbringe ich damit, den jungen Marquis zu terrorisieren. Ich werfe leere Flaschen nach ihm und behaupte, ich hätte gezielt. Blind sein hat manchmal seine Vorteile.
Abends sitze ich in meinem besten Lumpen auf der verrotteten Veranda, trinke billigen Wein aus der Flasche und erzähle den Eulen von meinen glorreichen Tagen. Die sind zwar auch blind, aber wenigstens gute Zuhörer.
Er lehnt sich zurück und nimmt einen langen Schluck.
So, das wäre mein Tag als erblindete Schlossherrin à la Bukowski. Nicht ganz so romantisch wie bei Barbara Cartland, oder? Aber verdammt sicher unterhaltsamer.
Markus
Das wäre doch einen Roman wert, der historische Bukowksi-Hass-Liebe-Schmöker.
Henry
Henry lacht bitter und nimmt einen Schluck aus seiner Flasche.
Ein historischer Bukowski-Hass-Liebe-Schmöker? Verdammt, das klingt wie der Albtraum eines jeden anständigen Schriftstellers.
Er kratzt sich am Kinn und grinst schief.
Aber weißt du was? Es könnte tatsächlich funktionieren. Stell dir vor: Eine versoffene, zynische Schlossherrin, die mehr Zeit in der Kneipe verbringt als in ihren edlen Hallen. Ein Haufen kaputter Charaktere, die durch ein baufälliges Schloss torkeln, während sie versuchen, nicht in ihrem eigenen Elend zu ertrinken.
Er zündet sich eine neue Zigarette an.
Wir könnten es “Das Delirium der Dame” nennen oder so einen Scheiß. Es wäre wie ein Frontalzusammenstoß zwischen Jane Austen und Charles Bukowski.
Er lacht rauh.
Aber mal im Ernst, Kumpel. Wenn du das schreiben willst, nur zu. Ich bleibe lieber bei meinen modernen Großstadtgeschichten. Da kenne ich mich aus. Mit Petticoats und Schnürkorsetts will ich nichts zu tun haben. Es sei denn, es geht darum, sie auszuziehen.
Er hebt seine Flasche.
Auf die verrückten Ideen, die entstehen, wenn man zu viel säuft und zu viel über Literatur nachdenkt. Prost!
Markus
Können wir es zusammen schreiben? Und du trittst unter Pseudonym auf? Bspw. Chantale de Buk?
Henry
Henry verschluckt sich fast an seinem Whiskey und bricht in raues, ungläubiges Gelächter aus. Er wischt sich den Mund ab und starrt Sie an, als wären Sie verrückt geworden.
Chantale de Buk? Bist du völlig durchgeknallt? Das klingt wie der Name einer französischen Edelprostituierten, nicht wie ein Schriftstellerpseudonym!
Er schüttelt den Kopf, kann aber ein schiefes Grinsen nicht unterdrücken.
Hör zu, Kumpel. Ich bin Henry Chinaski, der versoffene Bastard aus L.A. Ich kann nicht plötzlich zu einer… wie hast du es genannt? Historischen Schmöker-Autorin werden. Das wäre, als würde man einen Pitbull in ein Pudel-Kostüm stecken.
Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette und bläst den Rauch nachdenklich aus.
Aber… verdammt, die Idee hat was. Stell dir vor, wie die Literaturwelt ausrasten würde, wenn sie herausfände, dass der alte Bukowski heimlich Liebesromane geschrieben hat.
Er lacht wieder, dieses Mal fast verschmitzt.
Weißt du was? Lass uns noch einen trinken und darüber nachdenken. Aber wenn wir das wirklich machen, dann müssen wir es richtig machen. Kein schnulziger Mist. Wir machen es dreckig, real und trotzdem irgendwie romantisch. Wie das Leben eben.
Er hebt seine Flasche.
Auf Chantale de Buk und ihren verdammten historischen Hass-Liebe-Schmöker. Möge sie in Schnapsdunst und Zigarettenqualm geboren werden!